Mittelalter Laterne

  • Im vorigen Jahrhundert fand man in der Themse das Fragment einer spätmittelalterlichen Laterne, welches in einem der Museen in London ausgestellt ist.

    Nach diesem Original hat man eine Messinglaterne nachempfunden, wovon ich mir mal ein Exemplar aus den USA kommen ließ, weil hier in Europa diese Laterne zur Zeit nicht zu bekommen ist.

    Von einer Reproduktion kann man nicht wirklich sprechen, weil man speziell bei der Türe aus Rinderhorn offensichtlich sehr vereinfacht hat.

    Insgesamt sind diese Nachbauten nicht von besonderer Qualität, wenn auch die damalige Technik der Vernietung der Einzelteile dem gefundenen Original entspricht.

    Die Laterne hat eine Höhe von 20,5 cm, und einen Durchmesser von 8 cm.


    Das Original hat man auf das 14. Jahrhundert datiert.

    Man fand diesen Laternentyp mit dem Handgriff an der Rückseite und dem flachen Hut auch im skandinavischen Raum, und hat ihn wohl bis ins 16. Jahrhundert genutzt.


    Für mich selber ist der Hintergrund interessant, das man das Horn von Rindern für den Windschutz einsetzte.

    Hierfür sind die Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen ein Quell an Informationen, die alte Arbeitsverfahren und Herstellungstechniken mit ihren Werkzeugen im Bild dokumentieren.

    Die Brüder im Bild sind mit Namen zugeordnet, und auch ihr Sterbedatum ist festgehalten.


    Für unsere Laterne sind zwei Berufe von Wichtigkeit, der Laternenmacher und der Hornrichter.


    Auf dem Bild des Laternenmachers sieht man wie er gerade den Boden einer Laterne mit dem Lötkolben anlötet, der vorher in dem auf dem Boden stehenden Kohlebecken erhitzt wurde.

    Verschiedene Werkzeuge sind zu sehen. Eine Blechschere, Meißel und Ahle auf den Werkblöcken, und Hammer und Lötzinn auf der Bank.


    Der Hornrichter gehörte zur Gilde der Kammmacher.

    Auf dem Bild sieht man wie er mit dem Schaber das eingespannte Horn bearbeitet. Ziel dieser Arbeit war es diese Hornplatte so dünn zu schaben, das das Licht der Kerze im Inneren der Laternen gut durchscheinen konnte.

    In einem Tisch daneben sieht man weitere Hornplatten, die mit Keilen eingespannt sind und dabei geplättet und begradigt werden.

    Dieser Prozeß der Hornplattenherstellung war langatmig und zeitraubend, und die damit ausgestatteten Laternen müssen zwangsläufig teurer gewesen sein als die Masse der damaligen Laternen, bei denen man einfach die Metalltüren mit Ahlen in Mustern durchlöchert hat damit das Kerzenlicht nach außen dringen konnte, oder die überhaupt keine Türen hatten, und dadurch windanfälliger waren.


    Mein Traum wäre natürlich eine Originallaterne aus dieser Zeit gewesen, nur, Originale tauchen praktisch nicht im Handel auf, und man muß sich mit den Museen begnügen in denen sie zu bewundern sind.

    Aber als Anschauung reicht dieser Nachbau, mag er in meinen Augen auch noch so unvollkommen degengelt worden sein.








    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

    Einmal editiert, zuletzt von Rolf G. (✝) ()

  • Moin Rolf,

    da gibt es auch diverse Repros aus Eisenblech mit Hornscheiben,

    die wir im Mittelater-reenactment nutzen/nutzten, sind schön, praktisch und z.b. bei Battle-Merchant in Wacken zu beziehen. Natürlich sind die nicht so schick wie deine in Messingblech, aber die Hornscheiben waren durchaus weit verbreitet, im 14.Jhd. gab es daraus nachweislich Fensterscheiben bei wohlhabenden Kaufleuten.


    Bei Lampen hat Horn allerdings einen Nachteil, wie wur vor einigen Jahren nachts im Zelt feststellten.... es ist brennbar :wallbash:


    Beste Grüße, Björn

    God created men.
    Sam Colt made them equal!

  • Tach Björn,


    ... warscheinlich habt Ihr auch festgestellt, daß es überhaupt nicht gut riecht, wenn Horn brennt... :aua:


    Grüße aus dem Westmünsterland


    Klaus

  • Lieben Dank für den Beitrag!

    Sehr erhellend. So mag ich das.

    Mein Traum wäre jedoch eine Römische Öl-Lampe.

    In Kölle haben die massenhaft im Museum, doch bisher waren die nicht dazu zu bewegen mir eine zu vermachen...

    Der Direktor reagierte echt angesäuert, als ich ihm erklärte dass der ausgestellte Frosch aus Eisen ganz sicher nicht aus römischer Zeit ist...

  • Hi Björn,


    ja, Battle-Merchant ist ein Begriff.

    Bei diesem hm... Messingnachbau habe ich absichtlich nicht von einer Replik gesprochen, denn das Machwerk hat mit einem wirklichen Repro nichts zu tun.

    Vor allem hat der Hersteller nicht wirklich Ahnung vom Laternenbau.

    Beim in der Themse gefundenen Original sieht man unten im hinteren Bereich ein Loch für die Luftzufuhr, welches bei diesem Nachbau zunächst fehlte, was zum "Luftschnappen" (pumpen) der Kerzenflamme führte.

    Erst als ich dieses Loch angebracht hatte brannte die Kerze ruhig.

    Ich habe das Original in London noch nicht gesehen, aber da vom Lampenkörper teilweise ganze Partien weggerostet sind, gehe ich davon aus das es aus Eisenblech besteht.


    Ja klar, Horn brennt natürlich. Den Umstand habe ich mal beim Bau von Trinkhörnern genutzt.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Ja klar, Horn brennt natürlich. Den Umstand habe ich mal beim Bau von Trinkhörnern genutzt.

    Was mich wundert ist, warum Horn und nicht dünnes Pergament? das sollte doch etwas lichtdurchlässiger sein. Brauchten die das gesammte Pergament für Bücher?

    Grüße, Manfred


    :user: Lux lucet in tenebris


    Nicht jedes Licht am Ende des Tunnels bedeutet einen Hoffnungsschimmer. Manchmal ist es auch ein entgegenkommender Zug (M.M. Ronner)

  • Da spekuliere ich jetzt mal, denn Pergament-bespannte Laternen und auch Fenster gab es, allerdings war es in der Herstellung extrem aufwändig und teuer, und unter Witterungseinfluss bei weitem nicht so haltbar.

    Horn hingegen war und ist auch heute noch ein Schlachtabfall, deutlich einfacher zu verarbeiten (wird schon in heißem Wasser formbar) und wohl auf Grund von Preis und Verfügbarkeit für einen wichtigen Alltagsgegenstand (Windsichere Laterne) eine naheliegende Wahl.

    Viele andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs in ärmeren bis mittelständischen Haushalten aus dem Früh- bis Spätmittelalter und der frühen Neuzeit sind ebenfakks belegt, z.B. Knöpfe, Kämme, Löffel, Schüsseln, Trinkgefäße, Messergriffe, Brillengestelle etc....

    Aber das Lampenbezogene ist jetzt reine Spekulation vom Geschichtslehrer:naughty:

    God created men.
    Sam Colt made them equal!

  • Es gibt heute Laternenreplikate bei denen man Tierhäute nutzt.

    Gab es damals bei Originalen wohl auch.

    Aber selbst bei geöltem Pergament besteht die Anfälligkeit gegen Nässe, welche beim Material Horn weniger eine Rolle spielt.

    Und geöltes Pergament ist noch anfälliger für ein Abfackeln als es Horn ist.

    Es gab auch Pergament - Fensterscheiben ehe man Glas - Butzenscheiben benutzte.

    Ein Problem bei den Hornscheiben ist das es selten Hörner gibt die einheitlich farblos sind - und heute sind Hörner eh seltener als zur damaligen Zeit.


    Edit: Björn war schneller.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • ...

    Mein Traum wäre jedoch eine Römische Öl-Lampe.

    In Kölle haben die massenhaft im Museum, doch bisher waren die nicht dazu zu bewegen mir eine zu vermachen...

    Der Direktor reagierte echt angesäuert, als ich ihm erklärte dass der ausgestellte Frosch aus Eisen ganz sicher nicht aus römischer Zeit ist...

    Ich mußte grinsen als ich das las, denn es fiel mir eine Episode im Kölner Stadtmuseum vor dreißig Jahren ein, als ich in einer Vitrine eine falsch zusammengesetzte Reisesonnenuhr sah, und man froh war als ich sie gerichtet hatte.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Rolf: das Licht kommt aber erstaunlich gut durch die Hornscheibe :thumbup:

    Man muß sich vergegenwärtigen das die Menschen in jener Zeit ein anderes Verhältnis zum künstlichen Licht hatten als wir heute bei unserer nächlichen "Lichtverschmutzung" ohne Ende, wo es z.B. für eine vernünftige Sternenbeobachtung immer schwieriger wird eine Stelle mit weniger Lichteinstrahlung der Städte zu finden.

    Damals gab es nur an Gasthöfen Außenlaternen, wenn überhaupt.

    Die Augen mußten nicht ständig Licht adaptiert werden, sodaß man sich beim schwachen Licht der Kerzenlaternen in der Dunkelheit generell besser zurecht fand.

    Da ging es nicht um eine taghelle Ausleuchtung, sondern nur darum Hindernisse erkennen zu können um sich nicht das Genick zu brechen, und den Weg zum Ziel zu finden.


    Ich habe mal bei völliger Dunkelheit als Vergleich eine Öllaterne von 1900 neben die mittelalterliche Kerzenlaterne gestellt, und die Flammhöhe der Kerze den damals üblichen längeren Flammen angepaßt.



    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Moin zusammen!


    ...wobei man sich noch vergegenwärtigen muß, daß sich nur die Wenigsten überhaupt echte Kerzen leisten konnten. Bienenwachs war teuer. Da blieb es neben den üblichen Kienspanen nur bei Tranfunzeln, Pechfackeln und Talglicht. Straßenbeleuchtung gab es nicht und in einer mondlosen, bedeckten Nacht war es sprichwörtlich "stockdunkel", pechschwarz - man sah ohne Licht überhaupt nichts. Die Städte waren dunkel - man roch sie eher aus der Entfernung, als daß man sie sah.

    In Kiel gab es ab dem 18. Jh. die sogen. "Leuchtejungs", die sich ein bißchen Geld dazuverdienten, die Leute vorm Theater oder den Tanzsälen aus abzuholen und sie nach Hause zu bringen. Daher der übertragene Ausdruck "jemandem heimleuchten"...

    Andere Möglichkeit, in der engen Stadt voranzukommen, waen hier bei uns tatsächlich Sänften. Da bleben vor allen Dingen die Damen mit ihren langen Kleidern sauber. Aber es gab natürlich mit diesem Fortbewegungsmittel besonders nachts und bei Schnee und Regen die einen oder anderen Ausrutscher in der Dunkelheit. Erst später kamen Pferdedroschken auf, als dann auch die Hauptstraßen gepflastert wurden.

    Eine sporadische Straßenbeleuchtung (ab 1724 finanziert durch wohlhabende Bürger) für die Hauptstraße gab es schon im 18. Jh. - auf die Aufstellung von Gaslaternen mußte man in Kiel lange warten (1855).


    https://www.kiel.de/de/bildung…erinnerungstage.php?id=64


    Gruß,

    Micha.

    >> Es kommt oftmals anders, wenn man denkt. <<

  • Zur Entstehungszeit des Lampenoriginals um 1400 haben wir es zwar von der zeitlichen Einordnung mit dem Spätmittelalter zu tun, aber eben immer noch das was man als dunkles Mittelalter bezeichnet.

    Von den damals unvorstellbaren, das tägliche Leben erleichternden Entwicklungen des 18. Jahrhunderts war man noch weit entfernt.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

    2 Mal editiert, zuletzt von Rolf G. (✝) () aus folgendem Grund: OffTopic entfernt

  • Hallo,

    also Pergament als Variante in Laternen war über Jahrhunderte im Einsatz. Ich besitze selber verschiedene Repliken mit Pergament. Das Hauptproblem ist lediglich ( wie von Dir beschrieben ) ein optisches. Wenn die Haut Nass wird bilden sich Wellen im Material. Sieht doof aus, macht aber bei Funktion an sich keinen Unterschied. Selbst nach dem trocken wir das Material nie wieder ganz glatt. War halt ein einfacher Gebrauchsgegenstand eine solche Hautlaterne.


    Beste Grüße

  • Ob Horn oder Pergament war letztendlich eine Frage der Kosten und auch der Verfügbarkeit.

    Man hat übrigens kein Pergament im Sinne des Materials eingesetzt welches man z.B. für Bücher oder Dokumente nutzte, sondern einfacher bearbeitete Tierhäute, die anschließend geölt wurden.

    Kostbarer waren ausgesuchte, möglichst farblose Hornplatten, die dann auf eine maximale Stärke von 2 mm geschabt wurden.

    Die heute angebotenen Repliken mit Hornplatten haben in der Regel Farbverläufe im Material die teilweise das Kerzenlicht regelrecht schlucken.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Ich habe mal eine Aufnahme von dem vorliegenden Hornteil gemacht.

    Da werden also keine Platten hergestellt wie man das oben im Bild des Hornrichters sieht, die dann für die runden Laternen gebogen wurden.

    Auch den Türrahmen wie auf dem Bild zu sehen, in den die gebogenen Hornplatten eingepaßt wurden hat man sich gespart.


    Heute hat man die Teile nach dem Durchmesser des Lampenkörpers aus dem Tierhorn herausgeschnitten, wohl auf dem Polierbock poliert, gebohrt und auf die Messinglaschen aufgenietet. Fertig.

    Hat also nichts mit der aufwändigen und auch präzisen Herstellung des Mittelalters zu tun.

    Soll halt bezahlbar bleiben.

    Deshalb rede ich da auch nicht von einer Replik, sondern von einer Nachahmung ohne auf die mal wirklich angewendete Technik zu achten.



    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...