Lampe Dentellières

  • Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit den Beleuchtungen der Spitzenklöpplerinnen, die abends für ihre Arbeit am Klöppelkissen möglichst helles, gebündeltes Licht benötigten.

    Für mich ein interessantes Thema wo ich noch seltene Lampen vermute.

    Neben Kerzen benutzte man bis zur Einführung des Petroleums Mitte der 1850er Jahre hauptsächlich Lampen mit Ölbrennern.


    Eine französische Glashütte entwickelte irgendwann gläserne Öllampen speziell für diesen Beruf, die heute allgemein als die Klöppellampe angesehen wird.

    Glashütten in England, Deutschland und anderen Ländern ahmten diese Form nach.

    Originale aus der Zeit vor 1850 sind bei den Sammlern alten Klöppelzubehörs sehr gesucht, und deshalb selten zu finden.

    Seit einiger Zeit werden diese Klöppellampen Formgeblasen als Repliken verkauft.


    Ich habe mir aber ein Original gegönnt.

    Freihändig mundgeblasen, mit der sogenannten Pontil - Narbe am Boden, die beim Abnehmen des Glases von der Pfeife entsteht.

    Dafür ist bei uns auch die Bezeichnung Abrißkante geläufig.


    Die Lampe hat eine Höhe von 19 cm, oben mit einem kugeligen Bassin versehen, welches 80 ml Öl faßt, ausreichend für rund 9 Stunden Licht.

    Am Bassin hat man oben eine runde Öffnung gelassen, in die der Brenner gesteckt wird, der lose aufliegt.

    Bei meiner Lampe handelt es sich um einen Flachdochtbrenner für 12 mm Dochtbreite, mit einer Dochthülse die weiter nach unten ins Bassin ragt.

    Offensichtlich für Walöl vorgesehen, das so in der kalten Jahreszeit vor dem Verdicken bewahrt wurde, indem das Öl durch diese lange Dochthülse erwärmt wurde.


    Eine unscheinbare Lampe, aber aus heutiger Sicht geschichtsträchtig.

    Um das Licht für´s Klöppen zu bündeln hatte man ebenfalls mundgeblasene, kugelförmige Behälter auf vergleichbaren Füßen wie bei den Lampen.

    Diese wurden mit Wasser gefüllt und vor die Lampen gestellt, um das Licht zu bündeln, vergleichbar mit den Schusterkugeln.

    Diese Originale sind aber noch seltener - mit entsprechenden Preisen.

    Danach suche ich gerade.








    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Hallo Rolf
    Danke für die Super Bilder und die Ausführungen. Man kann sich richtig vorstellen wie damals gearbeitet wurde

    viele Grüße aus der Schweiz
    René

  • Hallo Rene,


    danke.

    Bei der Betrachtung dieser gläsernen Lampe öffnet sich für den Bereich Spitzenklöpplerin im Hintergrund ein Szenario aus Armut und Elend, was über normale Arbeitsbedingungen hinausging, und auch für Weber und Weberinnen charakteristisch war.

    In schlecht geheizten Räumen wurde jeden Tag vom ersten Tageslicht bis in die Nacht an den Klöppelkissen gearbeitet, um so zum Einkommen der Familie beizutragen. Typische Krankheiten als Folge waren Gicht, Erblindung und einiges mehr.

    Die in Meißen geborene Lyrikerin Louise Otto hat es in einem sozialkritischen Gedicht so beschrieben:


    Klöpplerinnen (1840)


    Seht ihr sie sitzen am Klöppelkissen

    Die Wangen bleich und die Augen rot!

    Sie mühen sich ab für einen Bissen,

    Für einen Bissen schwarzes Brot!


    Grossmutter hat sich die Augen erblindet,

    Sie wartet bis sie der Tod befreit—

    Im stillen Gebet sie die Hände windet:

    Gott schütz’ uns in der schweren Zeit.


    Die Kinder regen die kleinen Hände,

    Die Klöppel fliegen hinab, hinauf,

    Der Müh’ und Sorge kein Ende, kein Ende.

    Das ist ihr künftger Lebenslauf.


    Die Jungfrauen all, dass Gott sich erbarme,

    Sie ahnen nimmer der Jugend Lust,

    Das Elend schliesst in seine Arme,

    Der Mangel schmiegt sich an ihre Brust.


    Seht ihr sie sitzen am Klöppelkissen,

    Sehr ihr die Spitzen, die sie gewebt:

    Ihr Reichen, Grossen—hat das Gewissen

    Euch nie in der innersten Seele gebebt?


    Ihr schwelgt und prasset, wo sie verderben,

    Geniesst das Leben in Saus und Braus,

    Indessen sie vor Hunger sterben,

    Gott dankend, dass die Qual nun aus!


    Seht ihr sie sitzen am Klöppelkissen

    Und redet noch schön von Gottvertraun?

    Ihr habt es aus unserer Seele gerissen:

    Weil wir euch selber gottlos schaun!


    Seht ihr sie sitzen am Klöppelkissen

    Und fühlt kein Erbarmen in solcher Zeit:

    Dann werde euer Sterbekissen

    Der Armut Fluch und all ihr Leid!


    Als dann ab 1850 Klöppelmaschinen aufkamen war das gleichzeitig das Ende des professionellen Klöppens unter diesen Bedingungen, aber auch der Wegfall dieses eigentlich notwendigen Zusatzverdienstes...


    Ein zeitgenössisches Bild aus Belgien macht übrigens die Unzulänglichkeit der Beleuchtung Kerze auf normalen Kerzenständern deutlich.

    Durch das Kürzer werden der Kerze wandert der gebündelte Lichtkegel nach oben vom Klöppelkissen weg.

    Deshalb nutzte man später gerne Pushup Kerzenständer, die man in der Höhe erstmal auf die Beleuchtung des Kissens einstellen konnte, und dann die Flamme durch die Federmechanik immer auf gleicher Höhe blieb.

    So kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch Petroleumlampen mit aufsetzbarer Fokussierhaube zum Einsatz, die wir heute einfach als Leselampen bezeichnen.




    Gruß Rolf


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  • Bis ich irgendwann zu diesem Thema eine neue Lampe gefunden habe noch ein Bild erstmal zum Abschluß.

    Es zeigt eine Familie die offensichtlich nicht wirklich zu den Ärmsten zählte, denn einen Kachelofen konnte sich ein gewöhnlicher Arbeiter kaum leisten.

    Aber auch hier zeugen die Kinder an den Klöppelkissen von der im 19. Jahrhundert üblichen Kinderarbeit.



    Gruß Rolf


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  • ...

    Um das Licht für´s Klöppen zu bündeln hatte man ebenfalls mundgeblasene, kugelförmige Behälter auf vergleichbaren Füßen wie bei den Lampen.

    Diese wurden mit Wasser gefüllt und vor die Lampen gestellt, um das Licht zu bündeln, vergleichbar mit den Schusterkugeln.

    Diese Originale sind aber noch seltener - mit entsprechenden Preisen.

    Danach suche ich gerade.

    Zumindest fand sich vorerst eine mundgeblasene Schusterkugel mit Abrißkante, die auch immer seltener werden.




    Gruß Rolf


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  • Ein zeitgenössisches Bild aus Belgien …

    Guten Abend Rolf,

    ich erlaube mir eine kleine Korrektur unter Hinweis auf die Beschriftung des Bildes:
    Es stammt aus Honfleur in der Normandie/Frankreich. Übrigens ein Ort mit einer hübschen kleinen Altstadt, gegenüber von Le Havre. Wenn ich recht erinnere mit einer dreischiffigen Holzkirche, die recht stark an skandinavische Stabkirchen erinnert.

    Aber zurück zur Klöppelspitze - die normannische Spitze hatte leider nicht den Ruf der Brüsseler, obwohl sie sich qualitativ nicht zu verstecken brauchte.


    Aber nichts destoweniger freue ich mich immer über deine Hintergrundinformationen, die unser Lampenhobby ein wenig „runder“ machen!


    Grüße ins Bergische Land


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht...
    ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Danke Christian für deine Ergänzung.:thumbup:

    Meine Frau als Schneiderin machte mich auch schon auf den Unterschied in der Qualität der Klöppelspitzen aufmerksam.


    Ja, der geschichtliche Hintergrund nimmt bei mir ein wesentliches Interesse ein beim Sammeln von Lampen - wenn er sich denn erfassen läßt.


    Grüße zurück, und ein schönes, verlängertes Wochenende, solltest du die Möglichkeit dazu haben.

    Gruß Rolf


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