Laternen-Modelle von ALG (Guillouard): Die Mischluft-"Marine" und andere

  • Laternen des französischen Herstellers ALG (Adrien & Louis Guillouard, Nantes) tauchen gelegentlich hier im Forum auf. Aber es gibt eher wenig Information zu den ALG-Modellen im Netz (wie hier auch schon mal angemerkt wurde).


    Auf der Suche nach einer Messing-Sturmlaterne entdeckte ich vor Jahren die "Luciole" (ALG No. 15). Die weckte mein Interesse am Hersteller: ALG produzierte nämlich eine ziemliche Vielfalt Stall- und Sturmlaternen (hot blast und cold blast), die hierzulande bloss wenig bekannt sind.


    Mit Versions-Vergleichen und Katalogen habe ich seitdem versucht, Überblick zu gewinnen. Netterweise konnte ich auch mit Jörg (stonewasher) unsere Kataloge poolen, so dass wir jetzt zu ALG beide etwas mehr wissen als alleine. :merci: Die Modelle variierten über die Produktionszeit auch in vielen Details.


    Ein paar nicht so bekannte ALG-Laternen möchte ich mal vorstellen: zu Anfang die Mischluftlaterne "Marine".


    Als "Marine" kennt man heute meist die ALG No. 6/7: eine Frischluftlaterne, die noch bis ca. 2016 gebaut wurde - aber diesen Namenszusatz erst nach dem zweiten Weltkrieg erhielt. Ursprünglich produzierte ALG seit den 20er Jahren eine Mischluftlaterne namens "Marine", die sich auszeichnete durch einen zusätzlichen Windschutz und einen robusten Tank.


    Diese hier dürfte Baujahr ca. 1926 sein (+/-1 Jahr):


     


    Es ist die zweite, mir bekannte Version der "Marine". Zuvor gab es eine aus der ALG No. 1 abgeleitete Laterne, welche offenbar aber nur in geringem Umfang produziert wurde (bis heute kenne ich nur die Katalogabbildung aus 1925). Die gezeigte 1926er-Version war der Ausgangspunkt eines sehr erfolgreichen Modells, das ALG mit vielen Änderungen vermutlich bis in die Kriegszeit baute: Von der meines Wissens letzten (8.) Version der Mischluft-Marine gibt es jedenfalls Exemplare, die ALG-untypisch nicht mehr verzinnt, sondern nur lackiert sind.


     


    Diesen extra hohen Sockel unter dem Brenner mit den zusätzlichen Beschriftungen hatte die Marine nur kurz. Später setzte der senkrechte Windschutz-Ring tiefer auf der Tankoberseite auf und die 1925 patentierte zusätzliche Verlaschung der Luftrohre (oben im Zerlegt-Bild sichtbar) entfiel schon wieder - was vermutlich einfacher zu produzieren und dennoch ausreichend stabil war. Schliesslich wurde der aufgesteckte, senkrechte Windschutz ersetzt durch ein schalenförmiges zweites Windsieb unter dem Glashaltesieb.


     


    Dabei verschwand auch der ursprünglich zum besseren Reinigen der Luftrohre abschraubbare Kamindeckel (tauschbar mit dem identischen Tankdeckel) zugunsten eines festen Abschlusses. Zu guter Letzt wich auch die doppelte Tankwand einem gesickten, einwandigen Tank, wie er bei anderen ALG-Laternen bereits verwendet wurde. Die Tankprägung "MARINE" behielten all diese Versionen bis zum Schluss.


    So sah diese Laterne übrigens vor dem Aufarbeiten aus: Sie hatte wohl einige Zeit im Freien zugebracht, war aber komplett und in der Substanz für ihr Alter gut, mit noch recht viel originaler Verzinnung.


     


    Eine Fortsetzung mit anderen ALG-Modellen folgt bei nächster Gelegenheit - hier harrt u.a. auch eine Marine der letzten Kriegs-Version ihrer Aufarbeitung, aber vorher werden erst andere in der Pipeline fertig.


    A propos: Falls noch jemand hier zum Thema ALG recherchieren sollte, freue ich mich über Austausch. :)


    Christina

    Einmal editiert, zuletzt von Nachteule ()

  • Schöner Beitrag, in der Art wie auch ich immer versuche über meine Laternen/Lampen soviel wie möglich an Hintergrundwissen herauszubekommen.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Toller Beitrag, ich habe auch so eine Lampe aber bei meiner fehlt der Boden vom Tank.

    Ich werde sie mir nochmal genau anschauen um festzustellen was für eine Ausführung es ist.


    Grüße Ulrich

    Grüße Ulrich

  • Tach Ulrich,

    Toller Beitrag, ich habe auch so eine Lampe aber bei meiner fehlt der Boden vom Tank.


    Grüße Ulrich

    :besserwisser: ... quasi ein Modell mit unbegrenztem Tankinhalt. Vielleicht ist das ein Sondermodell... :applaudit:


    Grüße aus dem Westmünsterland


    Klaus

  • Nette Idee! :done:


    Diese stabilen frz. Laternen interessieren mich auch, obwohl ich mich von meinen beiden ALGs getrennt habe (hier wurde es zu voll).

    Was mich allgemein bei frz. Laternen wundert, ist wie wenig online drüber bekannt ist. Das mag sicher auch an der Sprachbarriere liegen.

    Gibt es denn überhaupt irgendwelchen Kontakt zu Sammlern aus dem Nachbarland oder irgendetwas Vergleichbares an Forum wie hier?


    Meine übriggebliebene frz. Latene ist eine "Royalux" (die mit dem interessanten Glashebemechanismus). Aber über das Modell ist noch weniger rauszukriegen als über ALG.


    Bin gespannt, was noch kommt!
    Micha.

    >> Es kommt oftmals anders, wenn man denkt. <<

  • @ Ulrich: Vielleicht magst Du ein Foto einstellen? Je nachdem, wie aufwendig Du basteln magst, habe ich möglicherweise einen Tank einer etwas neueren Marine, die bei mir eh ein unvollständiger Ersatzteilspender ist. (Allerdings kann ich corona-bedingt nicht sagen, wann ich wieder da hin komme, wo das Teil liegt und ich müsste die Laterne auch an Stellen zerlegen, wo ich noch nicht sicher bin, ob das klappt...)


    @ Micha: Direkten Kontakt habe ich leider keinen, als vergleichbares französischsprachiges Forum kenne ich nur dieses hier:

    http://lampes-a-pression.les-forums.com/forums/


    Zur Royalux: Mir ist mal ein Foto einer Royalux begegnet mit Aufkleber der Firma Manufrance (MF) aus Saint-Étienne - was ein mögliches Indiz sein könnte, dass das der Hersteller gewesen wäre. In dessen früheres Sortiment könnte eine Laterne für Draussen gut gepasst haben:

    https://fr.wikipedia.org/wiki/Manufrance

    Allerdings haben sie der fr.wikipedia-Seite zufolge auch in grösserem Umfang Produkte zugekauft und nur unter eigenem Namen vertrieben.


    Edit2: Jörg hat mich gerade korrigiert, die Royalux stammt von S.I.F. (Société Industrielle de Ferblanterie) aus Paris, siehe auch:

    http://www.scherning.de/Lampen/Royalux.htm


    Grüsse,


    Christina

    2 Mal editiert, zuletzt von Nachteule () aus folgendem Grund: Formulierung abgeschwächt

  • @ Ulrich: Meines Wissens ist das die zeitlich 4. Version der Marine (noch die älteren Tank-/Kamindeckel, aber niedrigerer Sockel auf der Tankoberseite, Ringheber aus Runddraht), aus Ende der 20er Jahre, noch vor 1930.


    Die Führungslasche für den im Bild rechten Glashebedraht am Luftrohr sieht geflickt aus (hält die, und der Ringheber oben?). Wenn die Schlitze dafür im Luftrohr nicht ausgerissen sind, hätte ich evtl. eine originale Lasche als Ersatz (sofern die Lasche selbst das Hin-und-Herbiegen überlebt; ansonsten waren die bei bei älteren ALG-Modellen auch auf die Luftrohre gelötet). Der Glasschutzkorb stammt vermutlich von einer anderen Lampe (bei ALG wurden die Drähte zu der Zeit geschweisst), aber er erfüllt ja seinen Zweck.


    Was den Tank angeht, so frage ich mich, ob Zulöten der Löcher und Ausgiessen mit Tankdichter/Epoxy noch eine Option ist (oder sogar nur von aussen dicht abkleben und ausgiessen) - je nachdem, wie der Tank - ggf. nach Entrosten - von innen aussieht(?). Da der Tank becherförmig ist, müsste man sonst voraussichtlich sehr viel auseinandernehmen (und hoffen, dass Tankbecher, -deckel und äusserer Ring tatsächlich nur gelötet und nicht verpresst sind). Oder man schneidet einfach den Boden bis kurz vor die Seite aus und lötet eine Art Blech-Teller/Konservenboden o.ä. auf.


    Wenn's meine wäre, würde ich vmtl. erst mal gründlich entrosten, um zu schauen, wieviel von Luftrohren und Tank übrigbleibt. Die Lasche rechts könnte nämlich auch deshalb geflickt worden sein, weil das Rohr schon am Durchrosten ist(?).


    Grüsse,


    Christina

  • Danke Christina für deine Expertise.

    Die Lasche an der rechten Seite müsste ich abmachen um zu sehen ob die Schlitze nicht ausgerissen sind. Das könnte ein bisschen schwierig werden ohne das Luftrohr zu beschädigen weil die angelötet oder geschweißt wurde.

    Der Tankboden ist wahrscheinlich komplett zu erneuern. Auch auf der oberen Tankseite wurde schon gelötet.

    Der Kamindeckel ist auch schon am zerbröseln

    Ich werde ihr ein Bad gönnen und schauen was noch dran ist wenn ich sie rausnehme.


    Grüße Ulrich

    Grüße Ulrich

  • Hallo Yuri


    Bei Deiner Marine sind die Luftrohre oben mit dem Kamin ohne Muffen verbunden. Das entspricht Abbildungen in ALG-Katalogen von ca. 1930 und 1932. Deine Lampe stammt also sehr wahrscheinlich von Anfang der 1930er-Jahre. :)


    Ist der Tankdeckel bei Deiner Lampe aus Messing und original? Dann wäre das ziemlich selten.


    Viele Grüsse,


    Christina

  • Hallo Christina,


    Danke für die Info! :merci:


    Ist der Tankdeckel bei Deiner Lampe aus Messing und original?

    Ja, Ist der Tankdeckel Lampe aus Messing und Original! :thumbup:



    Dann wäre das ziemlich selten.

    Und es gefällt mir! :)



    Mit Respekt und Dankbarkeit, Yuri

    Bei der Kommunikation verwende ich den Google Übersetzer ... :(

  • Zweite Folge: ALG No. 6


    Passend zum Thema "Marine" (und Yuris Laterne mit Messing-Tankdeckel ;) ) möchte ich eine ungewöhnliche ALG No. 6 vorstellen.


    Oben hatte ich erwähnt, dass die Frischluft-Laternen, welche man heute als ALG "Marine" kennt, diesen Namen erst nach dem Krieg bekamen. Da wurden die älteren Mischluft-"Marines" nicht mehr produziert.


    Die Geschichte der späteren Frischluft-"Marine" beginnt aber auch schon vor dem Krieg. Hergestellt ca. von 1930 bis 2016 war dies das am längsten produzierte ALG-Modell - mit vielen Änderungen über die Zeit. In ALG-Katalogen um 1930 tauchen die ersten Frischluft-Laternen auf: vier Modelle, die sich baukastenartig durch verschiedene Tanks und zusätzlichen Glasschutzkorb unterscheiden. Ab den Luftrohren aufwärts ist die Konstruktion gleich.


    Am häufigsten ist das spätere "Marine"-Modell ALG No. 7 mit zusätzlichem, horizontalem Glasschutzkorb (ähnlich Mischluft-/"Stall"-Laternen, nur kleiner), davon abgeleitet die ansonsten identische ALG No. 6 ohne den zweiten Glasschutzkorb. Diese Modelle hatten einen mehrfach gesickten Tank und - wie alle frühen ALG-Frischluftlaternen - den Glasheber mit Rastblech rechts:


     


    Diese ALG No. 6 dürfte aus Mitte der 1930er-Jahre stammen. Es ist die historisch zweite mir bekannte Version. Ursprünglich hatten die Frischluftlaternen kleine Tankdeckel auf der Vorderseite (gleiche Seite wie Dochtstellrad und Glasheber). Eine erste Änderung waren deutlich grössere Tankverschlüsse, die auf die Rückseite wanderten.


     


    Die grossen Tankverschlüsse bekamen zu dieser Zeit auch die ALG-Mischluftlaternen. Die Gegenüberstellung zeigt (v.l.n.r.) Tankdeckel der ALG Marine ca. 1926, dieser ALG No. 6, einer heutigen ALG No. 15 "Luciole" (Messing) und zum Vergleich einen Feuerhand-Nachkriegs-Deckel.


    Dieses Exemplar hat nicht nur einen Füllstutzen aus Messing, auch der Tankboden ist aus Messing:



    In ALG-Katalogen vor dem Krieg findet sich ausser bei den günstigsten Modellen stets der Hinweis, die Laterne sei auch lieferbar mit "pièces en laiton", Teilen aus Messing. Solche Exemplare sind aber selten. Ab und nach dem Krieg gab es dies offenbar gar nicht mehr (bis zu der viel später wieder als Messing-Variante angebotenen "Luciole" No. 15).



    Der Zugring auf dem Blaker ist bei diesem Exemplar noch Omega-förmig, wie bei der ersten Version. Später sitzt er doppelt nach innen abgewinkelt in einer eingesetzten Lasche - eine Version, die vermutlich von den späten 1930er-Jahren bis in die Nachkriegszeit produziert wurde. Davon gibt es auch unverzinnte, nur lackierte Exemplare (vmtl. Kriegs-/erste Nachkriegsproduktion), sowie komplett ungemarkte (die hier im Forum schon häufiger auftauchten, überwiegend mit Feuerhand-Gläsern und dem Anschein nach auch unverzinnt).


    In der Nachkriegszeit erhielten die Modelle "Marine"-Aufkleber (anfangs am Kamin, zuletzt am Tank). Es verschwanden unter anderem die Langlöcher am Aussenkamin und die Sicken der Luftrohre, der Glasheber wanderte mit einem Patent von 1956 auf die linke Seite (wie Jörg/stonewasher hier erläutert hat) und statt der einfach zu befüllenden grossen Tankdeckel gab es wieder kleine, analog zur "Luciole" (ALG No. 15/16). Der Sickentank wich zum Schluss einem mit geraden Wänden (neben vielen Detail-Änderungen; bis jetzt kenne ich neun Versionen, womöglich nicht alle...).



    Bei meinem Exemplar hatte ich seltenes Glück: Nach Wegputzen von etwas Russ am Kamin wirkte sie bezogen auf ihr Alter fast wie "new old stock", als ob sie die meiste Zeit eingemottet in trockener Umgebung verbracht hätte. Die Verzinnung war bis auf kleinere Roststellen heil.


    Wiederherstellen werde ich noch die ursprünglich blaue Lackierung des Dochtstellrads, die leider nicht putzfest war (aus der gleichen Zeit gibt es übrigens ALG-Mischluftlaternen mit rot lackiertem DSR).


    Nachdem ich nun auch in die Mischluft-Marine einen Docht einziehen konnte (deren Brenner mag nur sehr locker gewebte), gibt's auch ein gemeinsames Leuchtbild:



    Die Fortsetzung der Reihe ist in Arbeit - da ist allerdings noch etwas zu löten...


    Christina

  • Ich bin ja bekannterweise kein Sammler dieser Laternen, aber ich habe meine Freude an solchen gut bebilderten und exzellent formulierten Beiträgen!:thumbup:

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Hier mal meine neue ALG Luciole, aus dem großen Fluß. Eine schöne, große und sehr massiv wirkende Lampe. Leider ist m.E. der Arretierungsmechanismus des Glashebers schlecht gelöst (2.Bild). Der Hebel ist aus einem Stück Blech gestanzt und nahe der Drehachse sind zwei Laschen aus dem Blech gestanzt, die den Drehradius gegen Holm begrenzen sollen. Drückt man den Heber zu weit nach unten, kann sich die Lasche hinter dem Falz des Holmes verkanten und nix geht mehr: man muß die Lasche mit der Zange wieder ins Blech des Hebers pressen, damit man das Glas wieder runter bekommt. Aber ich mag sie trotzdem gerne und gebe eine Kaufempfehlung.

  • Hallo René


    Ist an Deiner Luciole eventuell etwas verbogen oder nicht normal ausgerichtet? Vom Bild her kann ich es nicht sagen, aber dieses Problem kenne ich so nicht.


    Im Glasheber-Blech sind zwei gegenüber hervorstehende Prägungen. Diese arretieren den Glasheber am Falz des Luftrohrs, wenn das Glas gehoben ist. Sie begrenzen meinem Verständnis nach nicht den "Drehradius" (Drehwinkel?) gegen das Luftrohr. Herunterdrücken und damit um die Achse drehen könnte man den Glasheber noch ein ganzes Stück weiter, bis - mitsamt dem Glas - der Innenkamin am Aussenkamin oben anstösst.


    Um das Glas herunterzulassen, genügt sachter horizontaler Druck am Glasheber nach rechts (festhalten empfiehlt sich, weil die Kaminfeder recht kräftig ist...). Hier sind drei Fotos, wie es einwandfrei funktioniert: Glasheber in Ausgangsstellung, Glas gehoben von vorne, Glas gehoben von hinten.


     



    Zangen sollte man da nicht benötigen... 8|


    Grüsse,


    Christina


    PS: Ungeputztes Messing bitte ich zu entschuldigen, das ist eine Gebrauchslampe. ;)