Roentgen Zylinder

  • .... Ein Denkfehler, oder ein Effekt der veränderten Flammengeometrie bei gleichem Verbrauch pro Zeit, oder eben doch Mehrverbrauch wegen höherem Luftdurchsatz und damit höherer Petrolverdampfungsrate?


    ...

    Nun ja, für die Verdampfungsrate sind ja erst einmal drei Faktoren am Start:

    • Temperatur

    • Verdampfungsfläche (logischer Weise von der Dochtgröße und der eingestellten „Höhe“ abhängig)

    • Förderrate des Dochtes


    Und erst danach macht sich die Strömungsgeschwindigkeit der Luft noch etwas bemerkbar, in dem sie dem Petrodampf eben mehr oder minder schell nach oben befördert. Und die Luft nimmt auch nix mir, was nicht da ist ...

    Die Beschleunigung durch den Venturi-Effekt sorgt nun mal nicht wirklich für einen höheren Grunddurchsatz, sondern „zieht“ die Flamme in die Länge. Damit steht einfach mehr „Strecke“ (= mehr Zeit) für die exoenergetische Oxidation des Kohlenwasserstoffs zur Verfügung. Das macht jeder normale Kosmoszylinder auch.

    Die in diesem Zylinder nachgeschaltete „Kugel“ bremst den Luftstrom wieder und erzeugt so an der Grenzschicht für eine Verwirbelung. Letztere ermöglicht ein optimales Umsetzen der restlichen Brandgase, das Licht wird weißer. Außerdem können noch Kohlenstoffteilchen verbrannt werden, sich in einem normalen Kosmoszylinder bereits als Ruß niederschlagen würden. Somit kann der Docht nochmals hochgedreht werden, mehr Brennstoff wird vergast und die Lampe erzeugt mehr Licht.

    Anschließend beschleunigt die minimale konische Verjüngung des Zylinders das heiße Gas nochmals und sorgt für einen optimalen Abtransport des Abgases.

    Kurz zusammengefasst:

    • Erste Einschnürung beschleunigt das Gasgemisch

    • Anschließender gerader Zylinder ermöglicht eine laminare Strömung mit optimaler Verbrennung

    • Die Kugel bremst den Luftstrom, erseugt eine Verwirbelung und erlaubt die Oxidation letzter Reste

    • Der leichte Konus beschleunigt die Abfallprodukte optimal aus dem Zylinder


    Klingt jetzt rein heurektisch nicht so kompliziert, aber wenn man sich die entsprechenden Gleichungen der Hyrodynamik idealer Gase dazu mal ansieht, kriegt man einen soliden Horror. Ich verstehe übrigens bis heute nicht, wie ich damals den Schein in diesm Fachbereich geschafft habe .... 🤪


    Hydrodynamische Grüße


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht...
    ... und der Motor gehört nach hinten!

    Einmal editiert, zuletzt von KSBulli ()

  • ...

    Die Beschleunigung durch den Venturi-Effekt sorgt nun mal nicht wirklich für einen höheren Grunddurchsatz, sondern „zieht“ die Flamme in die Länge. Damit steht einfach mehr „Strecke“ (= mehr Zeit) für die exoenergetische Oxidation des Kohlenwasserstoffs zur Verfügung. Das macht jeder normale Kosmoszylinder auch.

    Die in diesem Zylinder nachgeschaltete „Kugel“ bremst den Luftstrom wieder und erzeugt so an der Grenzschicht für eine Verwirbelung. Letztere ermöglicht ein optimales Umsetzen der restlichen Brandgase, das Licht wird weißer. Außerdem können noch Kohlenstoffteilchen verbrannt werden, sich in einem normalen Kosmoszylinder bereits als Ruß niederschlagen würden. Somit kann der Docht nochmals hochgedreht werden, mehr Brennstoff wird vergast und die Lampe erzeugt mehr Licht.

    ...

    So ist es.

    Durch weiteres Hochdrehen des Dochts kann die Flamme bis kurz unter die Kugel in die Länge gezogen werden ohne das Rußpartikel entstehen.

    Grützner hat durch seine Konstruktion einen sehr effektiv wirkenden Zylinder geschaffen.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Ja, Experimente dieser Art wurden vor Jahren wegen des zunehmenden Sicherheitswahns aus den Schulen verbannt, obwohl sie mit schwachen Strömen durchgeführt vollkommen ungefährlich waren.

    Ich finde es gut Andy das du Kindern in deinem Umfeld mit Experimenten die wichtigen Denkanstöße gibst die sie in Schulen leider nicht mehr erfahren können.


    ...

    Hmmm,


    vielleicht darf ich mich da mal auch als Lehrerssohn, Rektorsbruder und ehemal begeisterter Physik- und Geophysikstudent äußern ...


    Da treffen einige Dinge zusammen:

    Zum Einen hat sich (sehr zu meinem Leidwesen) die Schullandschaft und ihre Aufgaben weg von einer allgemeinbildenden Schule hin zu einem Erziehungsort gewandelt. Mag man zu Recht beklagen, ist aber so.

    Zum Anderen sind Fächer hinzugekommen, die es früher so einfach nicht gab.

    Zum Dritten kann man mit diesen Experimenten durchaus Mist bauen, man muss nur z.B. die Spannung ein wenig zu hoch drehen. Und da es sich um experimentelle Aufbauten handelt, ist da keine Sicherung gegen Fehlbedienung drin. Wir hatten in der Sammlung meiner „Penne“ wunderschöne Röhren mit fluoreszierenden Nachbildungen von Blumen. Die Dinger leuchteten so ab etwa 14-16 kV ... ab 20 kV setzt dann AFAIR Röntgenbremsstrahlung ein ...


    Und damit kommen wir zum letzten Punkt:

    Alle diese Herrlichkeiten sind reine Handarbeit!

    Nicht nur, dass es heute (fast) keine Werkstätten und Handwerksmeister mehr gibt, die so etwas bauen können, ist diese Arbeit schier unbezahlbar. Ich erinnere noch heute, wir mein Vater um einige wenige Geräte gefeilscht hat, die er für die Physiksammlung seiner Schule kaufen wollte. Und wie froh er war, wenn diese Geräte für mehrere verschiedene Versuche nutzbar waren und nicht nur einmal im Jahr aus dem Schrank genommen wurden...

    Außerdem sind einige Werkstoffe bei der Herstellung auch nicht ganz gesundheitsfördernd (Stichwort: Uranglas und co.)


    O tempora mutantur


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht...
    ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Na ja, wir konnten damals zu unserer Zeit solche Experimente an den Schulen noch genießen, die Anregung waren und vereinzelt auch Schüler motivierten später im Berufsleben die Richtung Physik einzuschlagen.

    Teuer waren die Röhren auch damals die von Glasbläsern in kleineren Serien hergestellt wurden.

    Und auch heute gibt es noch Glasbläsermeister die Röhren dieser Art fertigen, wie etwa Lutz Neumann, der Videos zur Herstellung ins Netz stellt:



    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Hallo,


    erstmal Rolf, vielen Dank, dass du uns dieses Kuriosum vorgestellt hast. Ich kannte es nicht und bin einigermaßen erstaunt, dass es sich nicht durchgesetzt hat. In vielen alten Prospekten wird doch immer wieder der Brennstoffverbrauch thematisiert. Dein Zylinder scheint ja die Versprechen zu halten, auch wenn ich die Fotos ebenfalls etwas unglücklich finde. Der Docht erscheint wirklich höher eingestellt und der Füllstand des Tanks ist unterschiedlich.


    Christian, wenn ich nochmal deine Zeit in Anspruch nehmen darf - es scheint du hast das Funktionsprizip dieses sonderbaren Zylinders völlig verinnerlicht, besonders im Vergleich zu dem links gezeigten Reformzylinder. Kannst du es nochmal für mich verständlich machen, denn ich habe leider wenig Ahnung von der "Hyrodynamik idealer Gase" ;(


    Z.B. was mir noch unklar ist: Wie wirkt sich die Kugel effektiv auf die Flamme aus, du schreibst:

    Zitat von KSBulli

    Die in diesem Zylinder nachgeschaltete „Kugel“ bremst den Luftstrom wieder und erzeugt so an der Grenzschicht für eine Verwirbelung.

    Die Kugel liegt ja auf dem gezeigten Foto deutlich oberhalb der Flamme - setzt sich also die "Verwirberlung in der Grenzschicht" nach unten, gegen den Luftstrom, fort? Und dann geht es verwirrend für mich weiter:

    Zitat von KSBulli

    Anschließend beschleunigt die minimale konische Verjüngung des Zylinders das heiße Gas nochmals und sorgt für einen optimalen Abtransport des Abgases.

    Da kann man sehen, wie man sich als Normalo täuschen kann: Ich dachte bisher immer, eine große Öffnung würde einen möglichst geringen Widerstand erzeugen. Dass eine Verengung den Abtransport verbessert, darauf wäre ich nicht gekommen.

    Nun ja, für die Verdampfungsrate sind ja erst einmal drei Faktoren am Start:

    • Temperatur

    • Verdampfungsfläche (logischer Weise von der Dochtgröße und der eingestellten „Höhe“ abhängig)

    • Förderrate des Dochtes

    Ich habe im Zusammenhang mit alten Dampfloks mal davon gehört, dass auch der Druck Einfluss auf die Verdampfung einer Flüssigkeit hat. Z.B. Wasser verdampft bei hohem Druck (in einem Kessel z.B.) schlechter. Kann es nicht sein, dass durch irgendeine ausgeklügelte Luftführung der Druck zumindest ein bisschen fällt und mehr Petroleum verdampft? Und muss die Förderrate des Dochts nicht stets höher sein, als die Verdampfungsrate - sonst verbrennt der Docht doch selbst?

    Laut Patent wird die Flamme durch Aufsetzen des neuartigen Zylinders ja zugleich heller und größer, ohne dass der Verbraucht steigt. Daraus würde ich schlussfolgern, dass der Brennstoff effektiver verbrannt wird. Aber dann müssten wiederum umgekehrt alle anderen Lampen unvollständig verbrennen (und rußen und/oder stinken!!??)...


    Wie du siehst - es herrscht große Konfusion bei mir. Für dich klingt es sicherlich blöd, aber ich verstehe das Funktionsprinzip überhaupt nicht und bekomme auch den Zusammenhang zu Venturi nicht hergestellt.


    Danke im Voraus und Gruß,

    Tobias


    PS: Ich kannte das Wort "heurektisch" nicht || und google findet nur vier Treffer, die alle von dir sind. Was bedeutet das Wort?

    "Wie Matrosen sind wir, die ihr Schiff auf hoher See umbauen müssen, ohne jemals die Gelegenheit zu haben, es in ein Dock zu bringen, um es zu zerlegen und neu zusammenzubauen."Steffen L.

  • Tobias,

    schau mal nach "heuristik" Da ist dem Christian wohl ein Schreibfehler unterlaufen.

    Nee, ist ihm nicht. Da saß mal so ein oller Grieche in der Badewanne und hatte einen Geistesblitz. Mit dem Ausruf „heureka“ soll er dann nackt durch Syrakus gerannt sein um seiner Umwelt kund zu tun, dass er verstanden habe, wieviel Wasser sein Körper verdrängt. Seit dem steht der Begriff „heurektisch“ auch gerne für eine anschauliche Erklärung...


    Unter heuristisch hingegen wird die Erklärung verstanden, die nicht mit einer Theorie gesichert auch auf Annahmen fußend eine mutmaßliche ist ...



    😉


    Hoffe, zur weiteren Verwirrung beigetragen zu haben


    Christian

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    ... und der Motor gehört nach hinten!

  • ....Dein Zylinder scheint ja die Versprechen zu halten, auch wenn ich die Fotos ebenfalls etwas unglücklich finde. Der Docht erscheint wirklich höher eingestellt und der Füllstand des Tanks ist unterschiedlich.

    Ich werde die Aufnahmen in den nächsten Tagen unter einem anderen Kamerawinkel wiederholen, bei gleicher Tankfüllhöhe, damit das Ganze deutlicher wird.

    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • ...


    Christian, wenn ich nochmal deine Zeit in Anspruch nehmen darf - es scheint du hast das Funktionsprizip dieses sonderbaren Zylinders völlig verinnerlicht, besonders im Vergleich zu dem links gezeigten Reformzylinder. Kannst du es nochmal für mich verständlich machen, denn ich habe leider wenig Ahnung von der "Hyrodynamik idealer Gase" ;(

    ...

    Moin Tobias,

    zu viel der Ehre, ich hab nur auf die Schnelle zusammengekratzt, was mir noch aus dem Studium erinnerlich war und mit den Bildern in Einklang gebracht ...


    Schau dir mal das Venturi-Prinzip an. Aus ihm folgt, dass ein Gas, welches mit einer bestimmten Geschwindigkeit durch ein Rohr strömt, an einer Verengung schneller wird (und sich auch der Druck verändert, aber das brauchen wir hier nicht). Dadurch wird die Flamme „in die Länge gezogen“. Allerdings hat dieser Zylinder mit der nachgeschalteten Kugel wieder eine „Bremse“, denn wenn das Rohr erweitert wird, haben wir den umgekehrten Effekt. Was ich hier mit dem Begriff „Verwirbelung an der Grenzschicht“ zusammengefasst habe, ist (und jetzt werde ich wirklich heuristisch!) wohl eine „Bugstoßwelle“ die in der Tat ein Stück weit der Flamme entgegen schlägt. Damit wird dann auch der letze Rest an Brandgasen nochmals durchmischt und es kommt zu einer optimalen Verbrennung.

    Das ist in der Patentschrift recht blumig beschrieben, aber nicht begründet erklärt ...

    Die leichte Verjüngung am oberen Ende wiederholt dann noch einmal den Venturieffekt und sorgt durch die erneute Beschleunigung für einen optimalen Abtransport der Abgase.


    Diese Abfolge sorgt ganz offensichtlich für eine effektivere Verbrennung als der „einfache“ Kosmoszylinder, der ja auch schon nicht schlecht ist...

    Das der Kosmosbrenner insgesamt noch nicht das Maß der Dinge ist, zeigen ja schon die diversen Konstruktionen von Brandscheibenbrennern oder Zentralzugbrennern!


    Was die Verdampfung des Petroleums angeht, denkst Du schlicht zu kompliziert:

    Ja, der Docht muss mehr fördern (können) als verdampft. Aber der Docht fördert auf Grund seiner Kapillarwirkung und nicht aktiv, sprich er fördert auch nicht mehr, als „oben verdampft“ - er pustet ja keinen Sprit oben raus, im Gegensatz zur Drucklampe...

    Sobald der Docht auf Grund seiner Materialeigenschaften genug fördern kann, hängt die Verdampfung also nur noch von der Temperatur und der Verdampfungsfläche, sprich der eingestellten Höhe ab.

    Da spielt dann der Zylinder keine Rolle, von dem hängt die Qualität der Verbrennung ab!


    Am Ende des Tages ist dieser spezielle Zylinder und vor allem der Patenttext ein wunderschönes Beispiel dafür, wie durch Ausprobieren eine vorhandene Konstruktion verbessert wurde, ohne die Theorie dahinter zu bemühen. Schade, dass er sich vielleicht wegen der doch komplexen Bauweise und aufwändigeren Herstellung nicht verbreiten konnte...


    Ich hoffe, ich konnte dir deine Fragen beantworten.


    Christian

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    ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Ich habe also die Aufnahmen nochmal wiederholt und dabei den Kamerawinkel so abgeflacht das man nun sehen kann das sich die Dochthöhe beim Wechsel der Zylinder nicht verändert hat.

    Wie schon bemerkt kann jetzt der Docht noch etwas höher gestellt werden, sodaß die Flamme bis kurz unter die Kugel reicht, wobei sie absolut rußfrei bleibt.



    Gruß Rolf


    Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

  • Sobald der Docht auf Grund seiner Materialeigenschaften genug fördern kann, hängt die Verdampfung also nur noch von der Temperatur und der Verdampfungsfläche, sprich der eingestellten Höhe ab.

    Da fehlt noch eine dritte Variable, nämlich die Sättigung der Luft, die den Docht umgibt, mit Petroldampf. Wäre diese vollständig, würde nichts verdunsten.

    Könnte man - ziemlich praxisfremd - ausprobieren, indem man eine Metallkapsel auf den Docht setzt und diese auf die Temperatur bringt, die der oberer Dochtrand im Betrieb hat. Dann würde nichts verdunsten - es kann ja nirgendwo hin.

    Wenn der Luftstrom beschleunigt wird, wird der sich bildende Petroldampf rascher entfernt und dauernd neue Luft zugeführt, was die Verdunstung beschleunigt.

    Das entspricht dem bekannten Effekt, dass bei gleicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit bei Wind die Wäsche wesentlich rascher trocknet.

  • Hallo,


    gibt es denn schon die ersten rechnerischen Ergebnisse die mit der Bernoulli-Gleichung oder gerne auch "heurektisch" anhand des Venturi-Effekts aufzeigen, warum es zwischen beiden Versuchen so große Unterschiede gibt? Verwirbelt sich die Grenzschicht in der Kugel bei 8 Linien falschrum?


    Gruß,

    Tobias

    "Wie Matrosen sind wir, die ihr Schiff auf hoher See umbauen müssen, ohne jemals die Gelegenheit zu haben, es in ein Dock zu bringen, um es zu zerlegen und neu zusammenzubauen."Steffen L.