Rost aus Indien - Wiederbelebung einer 834

  • ´n Abend,


    heute hab ich endlich mal wieder die Zeit über Erlebnisse in 2018 zu berichten. Vorweg möchte ich sagen dass dieser Beitrag hier ausdrücklich nichts für Vitrinen-Orientierte ist sondern eher den praktischen Lampenbastler ansprechen soll welcher mit etwas handwerklichem Geschick und Improvisationstalent beherzt an die Umsetzung seiner Träume herangeht. Das setzt voraus dass man sich auch über die Umstände im Klaren ist unter denen unsere Leuchtmittel in den verschiedensten Winkeln der Welt eingesetzt wurden (und werden) und ggf. bereit ist zu akzeptieren dass daraus resultierend eben nun einmal nicht alles zu 100% original instandbesetzt werden kann. Ebenso müssen vielleicht auch einmal andere Wege gegangen werden. Und hier geht dann für mich der Spaß los :-)


    Es war also irgendwann Ende des letzten Winters im April dass ich animiert von einem Forenbeitrag (braun oder blau) über die Sinnhaftigkeit der Anschaffung indischer Eisenoxyde mal wieder die bekannten Seiten eines Händlers dieser Substanzen in der Bucht besuchte. Es gab da sogar gerade eine Aktion in der einige der Fundstücke zum Preis zu etwa dem einer guten Kiste Deutschen Bieres angeboten wurden. Das Gefühl im Bauch kennt jeder von Euch Lampensammlern, also habe ich nach direktem Kontakt mit dem Verkäufer unschlüssig aber mit dem "naja"-Gefühl im Bauch den "Kaufen"-Button geklickt. Die Kosten für den Versand kennt Ihr hier sicher, so kann sich jeder ausrechnen wie hoch die Anschaffungskosten für 2 solcher Einheiten waren (Versand zusammen für beide). Eins muss ich sagen - die Kommunikation mit dem Verkäufer war wirklich sehr gut auf englisch, nach einer (1) (!) Woche war das Paket sicher und bestens verpackt hier. Den Zoll hat die DHL erhoben, aber das wusste ich ja vorher.


    Angekommen sind zwei sicher und gut in Styropor verpackte 834. Alt. Rostig (Beschreibung). Und lustig (bei Betrachtung des Zustandes und der indischen Änderungen).


    Zum Zustand ist zu sagen: geliefert und augenscheinlich so komplett wie beschrieben auf den Fotos, Substanz bei der einen besser als erwartet, sie zerfallen nicht zu rotem Staub wenn man sie aus dem Karton nimmt wobei Rost schon ein deutliches Thema ist, trotz allem in diesem Zustand für den Laien völlig unbrauchbar (es sei denn mit Birne auf der Terrasse)


    Es fehlten: die Schirme (anfertigen), Gläser (bestellbar), Brenner (dito), Tür (anfertigen), Manometer (?) , Vorwärmschale (anfertigen), Pumpe (anfertigen)


    Besonderheit: die Mischkammern waren beide da und für Brenner der PX 500 ausgelegt - juhu!


    Nun gings also los. Die nachfolgenden Bilder sollen Euch etwas Einblick ins Dilemma geben. Das erste ist eines der bekannten der website, die folgenden sind hier entstanden.

  • Nach längerer Behandlung der Verschraubungen mit Rostlöser liess sich wirklich alles an den Messingteilen mehr oder weniger gut lösen (Wärme half), an den Gussteilen war jedoch die Mühe vergebens. Ich habe dann nach allen möglichen Versuchen beherzt auf M4 umgeschnitten und die Schrauben ersetzt. Bilder von zerlegten Lampen gibts schon genug, daher keine zusätzlichen von hier.

    Tür und Schirm habe ich aus Cu-Blech angefertigt, hatte ich da und es war gut zu bearbeiten. Funktioniert sicher auch mit Zinkblech. Eine kleine glatte Flachzange tut Wunder. Oft nachsetzen. Kupferblech verarbeitet sich wirklich toll für so etwas, sogar die Öse für den Splint am Scharnier kann man so gut herausarbeiten.

    Den Schirm habe ich dem meiner originalen 834 nachempfunden. Zwar habe ich auch noch einen weißen Emailleteller hier aus dem Shop rumliegen (geht wunderbar, hatte daraus einen Schirm für eine Graetzin gebaut), aber ich wollte die flache Form ähnlich wie beim Original. Da in Indien ohnehin alles aus Blech nachgedengelt wird habe ich kein schlechtes Gewissen bei dieser Art der "indischen Restauration".

  • Mit dem Korpus der Lampe sah es folgendermaßen aus: der indische Petromax-Sachverständige hatte seinerzeit das Abgasrohr einfach abgeschnitten und etwas gleichartiges drangenietet (erstes Bild). Weiterhin war das Innere gar mächtig verrostet, habe leider versäumt das auch noch zu knipsen und nur noch die Bilder nach Entrosten und Behandlung mit Zinkspray. (nächste Bilder)

    Das Zeug ist wirklich gut, habe damit schon Innenhauben der Dietmar 506 und einer 250er behandelt, kein Vergangenen im Betrieb. Nur hier war die Korrosion ganz offensichtlich zu weit fortgeschritten. So hätte niemand hierzulande die Lampe betreiben wollen denke ich. Heisse Abgase wären direkt an den Tank geströmt. Also das Maß vom Kamin genommen, nachgedacht wie es wohl die Inder gemacht hätten, gesucht - gefunden!! WD-40-Dose von Boden und Deckel befreit und eingenietet. Passt.(ich sagte ja - nichts für Puristen...)

  • Ein Wort zu den Tanks: die Manometeröffnungen waren zwar zugelötet, jedoch sind die Tanks in unerwartet gutem Zustand gewesen. Nach dem Laugebad kamen die Dinger rostfrei heraus, der eine hatte eine recht hartnäckige grüne Farbe drauf. Als sie runter war kam eine Beschriftung zum Vorschein (letztes Bild) welche ich mal mangels besseren Wissens als indisch verorte. Falls jemand von Euch damit etwas anzufangen weiß und Aufschluss liefern kann wär ich echt froh!


    Nach Anfertigung der äusserlichen Fehlteile sah sie dann mal so aus:

  • Nun war die Zeit für einen Dichtigkeitstest gekommen und damit der Punkt an dem ich dann vorerst nicht weiterkam. Der eine Vergaser blies seitlich eine kleine Kolonne Blasen ins Lecksuch-Spray. Ebenso war der andere vorn an der Verschraubung undicht. Mein Handycap - ich kann nicht hartlöten und ebenso wenig alte Gewinde aufbereiten. Das Forum musste her. Hilfe kam vom Forenmitglied Coronavisiert. Besten Dank darum nochmals in aller Form für Deine super Arbeit, Thomas!! Ein wirklich netter Kontakt zu einem sympathischen Forenmitglied. Zwei reparierte Vergaser inklusive neu angefertigter Schrauben kamen per Post, einer wurde in die hier besprochene 834 installiert und - sie war dicht. Übrigens zieren nun auf mein Bitten hin Thomas`s Initialen die Vergasermutter.


    Um die Vergaserstopfung wird immer so ein riesiger Aufwand mit Messinggaze und Lötpunkten usw getrieben. Meine hier habe ich einfach aus einem Edelstahldraht mit Öse am Ende in Richtung Vergaserwendel (zum Aufwickeln) und dann einer ordentlichen Wicklung dünner Kupferdrähte erstellt. Nach vorne kann sie nach Lösen der Vergaserschraube leicht entnommen und ausgetauscht werden. Der spätere Versuch sollte zeigen ob es auch so geht...


    Nachfolgend ein paar Bilder des Gussbodens mit seinen Anbauteilen. Der Blechtrichter obendrauf ist indisch. Den Brenner habe ich mit Gungum auf etwa 250er Größe getrimmt (äussere Reihe zu, bei 600 Grad 2h gebrannt, ging bisher immer gut bei 500er Pxen mit 250er Düse). Auf dem 4.Bild sind noch leicht die blauen Seiten der WD-40-Dose zu sehen, naja die 834 hat ja auch noch nicht geleuchtet. Die Kreuzschlitz-Schraube im Mischrohr habe ich in Schraubensammelsurium unserer Pneumatik gefunden. Sie verschliesst nur das Loch und hat noch kein Paddel.

  • Eine Pumpe musste angefertigt werden was aber nicht weiter schwer war. Ein Stab mit Gewinden versehen, vorne das Leder und Feder einer normalen Pumpe und hinten einen alten Knopf welcher passend aussah. Das Pumpenventil brauchte nur gereinigt werden, neues Gummiröllchen ins Ventil und gut.

    Die Packung des Kraftstoffhahnes war noch ein Thema. Beim Zerlegen kam eine hanfartige Masse zum Vorschein welche aber zum wieder verbauen nicht taugte. Der Hahn der 834 weist nicht sehr viel Unterschied zum Brandhahn an unserem alten Dieselross auf. Dort wird original mit Graphitschnur gedichtet. Kurzerhand habe ich also eine Graphitpackung für eine Pumpe aufgedröselt und mit einer der Schnüre den Hahn abgedichtet. Hält. Warum auch nicht, diese Art ist zeitgenössisch.


    So, nun alles dicht und hoffentlich alles gut. Erster Versuch...


    weißer Rauch, erstmal ohne Socken und Glas, im Vatikan durchaus wünschenswert, aber ich war mir da nicht so sicher..


    dann blaue Flamme mit rotem Schweif, irgendwie zu viel Petro oder zu wenig Luft


    konnte es dann doch nicht lassen, Socken dran und seitdem habe ich Respekt vor den Gläsern von Schott (die Flammen haben zeitweise das ganze Glas ausgefüllt)


    ...

  • Man kennt das. Ewig schrauben und machen und tun an seinem Lampenprojekt und alles vermeintlich gut hinterfragen - und wenns dann in die Hose geht ist man total niedergeschlagen. So gings mir, und ich hab eine gewisse Zeit mit Nachdenken verbracht.

    Füllstand war derselbe wie bei der heimischen original 834 mit Manometer, die Pumpenhübe waren da gezählt um auch bei dieser hier auf 1,5 Bar zu kommen.

    Die Düse war noch die original indische welche ich mit 250er und 500er Nadel auf Größe geprüft hatte. 250 ging durch, 500 nicht.


    Ich entschloss mich eine neue 250er Düse vom Joe einzubauen sowie den Brenner gegen einen ganz normalen offenen der 500erPX zu ersetzen. Die Flammen waren mir beim ersten Versuch zu gerade und druckvoll nach unten geschossen. Ausserdem habe ich ein normales Manometer als Tankverschluss verwendet von dem ich wusste dass es funktioniert.


    Resultat: gleiche Anzahl Pumpenhübe brachte einen Druck an die 3 Bar. Also auf jeden Fall weniger davon beaufschlagen. Ob die Düse massgeblich die Ursache war weiss ich noch nicht, der Brenner jedoch blies nun den neuen Socken besser und runder auf.


    Das Ergebnis ist unten zu sehen. Druck 1,5 Bar, halbvoller Tank. Erst ein orangefarbenes Leuchten, dann ein schön weißer Socken. Gleichmäßiges leises Rauschen. Eine Stunde lang lief sie so schön stabil ohne Flackern o.ä.


    Weil so ein Test am Tage ja weniger schön ist durfte die Inderin uns dann die Neujahrsnacht von 18.00 an bis weit nach Mitternacht erhellen, ohne Nachpumpen - ich bin mit einem zufriedenen Grinsen ins neue Jahr gestartet :-)


    Alles in allem war das eine meiner interessantesten Restaurierungen, man war immer am nachdenken wie man etwas lösen kann. Und da ich mich irgendwie dazu entschieden hatte den indischen Fachleuten gedanklich zu folgen gab es interessante Möglichkeiten für manches Problem. (längst nicht alles ist hier beschrieben) Ich würde mir zwar im Nachhinein nicht noch einmal zwei 834er Schrotthaufen schiessen da jetzt davon drei Stück hier hängen (von der dritten berichte ich ggf später mal). Wer allerdings den Wunsch nach so einer Lampe hat und wirklich fit ist im tüfteln kann auch mal so einen Schritt wagen.


    Die drei Verschraubungen mit denen der Tank am Korpus befestigt wird sind übrigens aus dem Oldtimerfachhandel - sowas saß früher oben auf den Zündkerzen ;-) (und ja, die rausstehenden Schrauben dort muss ich noch kürzen, auch am Schirm die Halteschraube)


    Steffen

  • schön gemacht! Toller Bericht!

    Finde ich auch!

    :)

    Gruss aus dem "Bayerischen Nizza"
    Rüdiger II.
    ___________________________________________________________________________________________
    So ist das halt mit dem Licht: Mal brennt es und mal brennt es nicht ...
    ALLE haben immer gesagt: DAS GEHT NICHT.
    Dann kam EINER, der wußte nix davon und HAT'S einfach GEMACHT.

    | In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, in der Praxis schon. |

  • Moin,


    ich steh mit den Dingern auf Kriegsfuß...aber Dir viel Freude damit. Hast Du gut hinbekommen...:wiegeil:


    MfG Carsten

  • Moin Steffen,


    toller Bericht!

    Wie du schon geschrieben hast, die ist jetzt nicht besser als neu geworden.
    Aber sie tut wieder das, für was sie gebaut wurde und das gut!
    Finde solche Instandsetzungen auch interessant, da muss man sich Gedanken machen und verbaut nicht nur Neuteile. Hut ab vor der Erbrachten Leistung.

    Gruß

    Julian

  • Absolute Hochachtung!


    Ich persönlich finde Restaurierungen, bei denen der alte "Charakter" von einer Lampe oder was auch immer man restauriert, erhalten bleibt, besser, als einen neuwertigen Zustand zu erziehlen.

  • Tach Steffen,


    wenn man den Rohzustand der beiden Lampen bedenkt aus denen du das geschafft hast...:applaudit::applaudit::applaudit:


    Aus Scheixxe Bonbon gezaubert!:respekt:


    Gruß, Gerald

    Die wahren Lebenskünstler sind bereits glücklich, wenn sie nicht unglücklich sind. (Jean Anouilh)

  • Vielen Dank für die zahlreichen Komplimente von Euch! Sie sind neben dem rauschenden Leuchten am Ende eines Projektes ein richtig wohltuender Lohn und gehen runter wie Öl.

    Ganz klar war hier auch ne gewaltige Portion Glück dabei - denn man kauft einfach die Katz im Sack, da will ich nichts beschönigen. Darum zuerst auch der Gedanke „aus zwei macht eins“. Eine eventuelle Ersparnis sollte hier nicht im Vordergrund stehen, nein ich wollte es einfach wissen ob sowas geht und was ich selber leisten kann, ich hatte gezielt die Herausforderung gesucht - und auch gefunden. Außerdem war ich im Juli/Aug in Elternzeit und hatte so eine sinnvolle Beschäftigung während des Mittagsschlafes 😜 Die zweite Lampe wird hoffentlich dann im Frühjahr leuchten, da ist noch ein bissel was zu tun. Und im Moment rollt ohnehin die Fasnet...


    - das Drahtgeflecht ums Glas hab ich aus Blumenbindedraht gemacht, ist gar nicht so schwer: einfach zuerst den kleinen Ring für die Spitze der Glocke machen, an dem dann 5 oder 6 doppelte Drahtschlaufen befestigen, das Ganze auf die Glocke aufsetzen und die Drähte dann immer etwa im gleichen Abstand abwechselnd links und rechts mit dem Nachbardraht verdrillen. Obere Enden etwas länger abschneiden und einfach in die Glocke umbiegen. Hilft auch bei zu kleinem oder zu knapp sitzendem Glas (Joe, ich denke da gerade an Deine 834 mit dem gedrehten Ring)


    Viele Grüße


    Steffen

    Ach was muss man oft von bösen
    Lampen hören oder lesen!
    Flamminferno, Mischrohrglühn,
    Lampenvirus, Brennstoffseen...
    Doch das alles ist ein Klax
    für den Freund der Petromax.