Wrack einer FH 275 (ca. 1939-1944) hopp oder top???

  • Wrack einer FH 275 (ca. 1939-1944) hopp oder top???


    Anlässlich des Erwerbs einer FH 75 Atom im bekannten Internet-Auktionshaus wurde mir Ende letzten Jahres ein Haufen vermeintlichen Altmetalls zusätzlich in das Paket gestopft. Die unbekannte Kopie einer FH 175 mit Prägung "IDEAL" fand seinerzeit den Weg in dieses Forum, aber bisher konnte niemend hierzu etwas sagen. Bei der ebenfalls beigelegten FH 275 ist dies eigentlich auch nicht nötig, da ja kaum jemand diese Lampe nicht kennt.


    Diese 275 ist eine Exemplar aus der Zeit zwischen 1937 und 1944, da sie den Glasheber mit dem Rastblech noch auf der rechten Seite und den moderneren, nicht mehr zweiteiligen Brenner hat. Auch der Tankboden hat die Form der bis heute gebauten Lampen und nicht mehr die wellenförmigen Ringe der Lampen bis 1936.


    Na gut, ein des Petroleumgeruchs überdrüssiger Österreicher hat die Lampe irgendwann mit einer 25 Watt-Glühbirne versehen und die Kabellage liebevoll mit Isolierband am Tragebügel festgefriemelt X(. Dankenswerterweise hat er keine Schäden an der Lampe angerichtet (Löcher in Tank gebohrt, Brenner entfernt o.ä.). Von der ursprünglichen Farbe oder Beschichtung war nichts mehr zu erkennen; Die Lampe kam in einem stumpfen Froschgrün o.ä. daher. :pfui:


    Der Tank wies zwar mehr Rost auf als ich bislang auch von älteren Feuerhänden gewohnt war, aber insgesamt war ich hinsichtlich einer anstehenden Aufarbeitung der Lampe optimistisch. Neben der schon aufgearbeiteten 275 aus der Zeit 1934-1936 würde sich sich bestimmt gut machen!


    Da ich noch eine andere Lampe glasperlstrahlen lassen wollte, landete auch die 275 beim Strahlbetrieb. Drei Wochen später holte ich die beiden Lampen wieder ab und war beim Anblick der 275 erstmal sprachlos: Metallisch blank, mit leicht rauher Oberfläche sah es erst ganz gut aus. Bis ich sie näher betrachtete und feststellen musste, dass die Strahlbehandlung Dutzende von Löchern in das morbide Blech geschossen hatte! :wallbash: Um die Löcher herum war das Blech in unterschiedlich großen Vertiefungen eingedrückt, wahrscheinlich weil das Blech schon entsprechend durch Korrosion geschwächt war.


    Frustriert ;( machte ich mich auf den Weg nach Hause und schob die Lampe erstmal in die hinterste Ecke des Lampenregals. Dort ignorierte ich sie die nächsten Wochen bis der seltene Fall eintrat, dass es keine Arbeit mehr gab: Die übrigen Feuerhände funktionierten tadellos und auch die vier "Petromäxe" boten keinen Bastelbedarf, was "leider" schon mal vorkommt.
    Also erinnerte ich mich wieder ob des hässlichen Entleins hinten im Regal, begab mich an den Werkzeugschrank und überlegte, ob ich es wagen sollte, mit dem Zulöten der Löcher zu beginnen, da Löten auch nicht unbedingt meine Lieblingsdisziplin ist.


    Das Ergebnis war den auch in jeder Hinsicht miserabel X(was allerdings noch dadurch auf die Spitze getrieben wurde, dass mir mein Hausklempner irgendwann grinsend riet, es doch mal mit Hartlot zu versuchen, da Weichlot nur bei NE-Metallen wirklich Sinn macht. Ich war kurz davor ohnmächtig zu werden und die Lampe landete wieder in hinteren Teil des Lampenregals... :wallbash:


    Einige Tage später hatte ich mich wieder beruhigt und erstand eine Stange Silber-Hartlot im Baumarkt; Eine Kartuschen-Lötlampe, die irgendwas bei 1700 Grad "macht" hatte ich noch im Fundus. Einmal tief durchgeatmet und los ging´s...


    Die trotz Weichlot gut verschlossenen Löcher schliff ich jedoch nur glatt und verlötete nur die völlig misslungenen, größeren Löcher neu. Knifflig war hierbei die Undichtigkeit am vorderen Teil des Tanks, da dort das Bodenblech um die Wand gebördelt ist.
    Das Löten ergab dort keine sichtbare Sicke mehr, so dass ich nach einer Dichtigkeitsprüfung diese Sicke mit der Schlüsselfeile wieder nacharbeiten musste. Insgesamt kann einem beim Hartlöten wegen der hohen Temperaturen und den teilweise rotglühenden Blechteilen schon mal mulmig werden, aber wenn dann das Ergebnis stimmt...


    Jedenfalls war nach diesen Torturen die Lampe schwer gezeichnet: Die thermischen Auswirkungen hatten die Blechteile bläulich verfärbt, verschmurgeltes Flussmittel überall; Die Lampe bot ein Bild des Jammers. Also ab zur Kur: Frottee-Lappen aus dem Lumpenbeutel, eine volle Dose Nitro-Verdünnung, eine Drahtbürste und ab die Post! Eine halbe Stunde später sah die Welt schon anders aus und auch die bekannte, augenrollende Miene und das Kopfschütteln der kurz vorbeischauenden Gattin konnten den Triumph nicht verhindern: Spiritus in den Tank: Dicht. Brenner montiert: Passt. Original-Glas aus den 30 ´er Jahren rein: Passt. So montiert sah die Lampe schon ganz passabel aus! :))


    Nun also noch die farbliche Behandlung. Im Tank und in der Aufnahme für den Brenner im Oberteil des Tanks fand ich Lackreste im Ton den ich schon von der FH 176 E kannte: RAL 6006, grauoliv. Den Lack hatte ich noch, also stellte sich die Frage nach einer authentischen Farbe nicht weiter. Da ich über keine Airbrush-Pistole verfüge, weil es sich bisher nicht lohnte, begnügte ich mich mit der "Pinsellösung", wobei ich den Lack vorher etwas verdünnte und es so lieber auf zwei Lackiergänge ankommen ließ. Die waren auch nötig, aber das Ergebnis hat mich dann voll befriedigt.


    Nach drei Tagen Trocknung kamm dann das große Ereignis des "Jungfernleuchtens" nach erfolgter Aufarbeitung: Neuer Docht in den Brenner; Petroleum rein, Anzünden und dann das unbeschreibliche Gefühl dass jeder kennt, der schon einmal nach Stunden Rumbastelei eine alte Leuchte wieder in Betrieb genommen hat. :stark:Ich spare mir das jetzt mit dem Testeroson und so, aber so ein Erlebnis ist unbeschreiblich und wird den Virus der jeden Petroleumlampen-Besitzer irgendwann mal befallen hat, noch stärker wirken lassen!


    Schließlich wurde aus diesem durchlöcherten Wrack wieder ein schöner Teil der Sammlung und kann sich neben der älteren, aber ursprünglich besser erhaltenen 275´er durchaus sehen lassen. Man ertappt sich sogar bei dem Gedanken, dass der Kauf eine weiteren Lampe in gutem Zustand gar langweilig sein könnte, aber na ja, wir wollen doch nicht übertreiben, oder???

  • Hallo Hosnmosn,


    Eine ganze nette Lampe welche du wieder in einen sehr guten Zustand gebracht hast !:respekt:
    Ich kenne das:
    Zuerst stinkt es einem wenn man so einen "Vollschrott" ( O-Ton meines Bruders) restauriert, aber wenn man dann wieder eine fast perfekte, neuwertige Lampe hinterher hat, ist so eine Aktion doch zum vollen Erfolg geworden ! :]


    Fröhliches Leuchten mit den guten Feuerhänden ! :trink:


    Grüße aus dem Süden der BRD


    Martin (Petromax- Reparateur) :D 8) :D

  • Hallo,
    das ist ja eine ganz hervorragende Arbeit, besonders eingedenk der Tatsache, daß diese Lampen eher als "Verbrauchsmaterial" betrachtet werden und man sich eine in besserem Zustand besorgen könnte.
    Zum Strahlen habe ich mir eine kleine Strahlkabine besorgt, dazu ein Sack Glasperlen und ein Sack feine Schlacke. Das ist preiswerter als man denkt. Das Problem dabei ist ein Kompressor, der bezahlbar ist, genügend Luft liefert und nicht die Ausmaße eines Schiffsdiesels hat


    Ich habe auch noch so eine "Ruine", eine Dietz Little Giant. Bei der ist der Boden und ein Teil der Seitenfläche des Tanks durchgerostet. Dort müssen Blechteile ersetzt werden, da man an den vorhandenen Resten nix mehr löten kann. Man könnte diese Lampe wegschmeißen, aber irgendwie hat sie das nicht verdient.
    Ein Bild liefere ich heute abend nach.
    Gruß
    Andreas

    Man sieht nur mit dem Herzen gut.
    Denn das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.
    (Antoine de Saint-Exupèry)

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  • Hallo Hosnmosn,


    beim Aufarbeiten von alten Lampen habe ich eigentlich mich schon für sehr geduldig gehalten, aber Deine Leistung verblüfft mich ungemein :respekt:


    Ich glaube dabei hätte ich das Handtuch geschmissen. Wirklich eine Klasse Arbeit und ein tolles Ergebnis :)


    Gruß


    Matthias 8)

    ...denn man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht
    (Dreigroschenoper - Berthold Brecht)

  • Hallo Petroziege,


    wenn man davon leben könnte hätte ich glaube ich einen Traumjob, oder? Aber im Ernst: Ich habe ziemlich lange Arbeitszeiten und mein Arbeitgeber sagen wir mal hinsichtlich der Stunden eine Art "Flatrate", da bin ich froh, wenn ich in der Woche mal eine Stunde zum Basteln komme... X(


    Aber umso schöner wenn dann das Ergebnis stimmt, gelle?


    Viele Grüße


    Stephan